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Editorial Der Tag ist noch jung. Die Blätter an den Lindenbäumen vor meinem Büro sind in den
vergangenen Tagen gelb geworden. Vom Sonnenlicht durch-flutet scheinen sie für einen kurzen
Moment ihre jugendliche Leichtigkeit des Frühlings zurückzugewinnen. Doch jeder Windhauch macht
sich über ihre Kraftlosigkeit lustig und zupft sie behänd von den Zweigen. Meine
Lieblings-Teeschale aus weißem doppelwandigem Porzellan innen glänzend und außen von matter
strukturierter Oberfläche wie ein Seeigel ohne Stacheln liegt angenehm wärmend in der Hand.
Ich habe mir soeben einen belebenden japanischen Kukicha zubereitet einen grünen
Blattstieltee. Die nadelähnlichen Blätter und Stielstücke in hellen und dunkleren Grüntönen
duften frisch und mild. Sie werden mit auf 70¿°C temperiertem Wasser aufgegossen und ziehen im
Kännchen eine gute Minute. In dieser kurzen Zeitspanne beobachte ich fasziniert wie die
Teebestandteile langsam an die Oberfläche steigen und inhaliere den überaus feinen Duft der
aus dem Kännchen steigt. Es ist der erste Aufguss von mehreren die allesamt nur sehr kurz
ziehen werden. Die zwischen Grün und Gelb changierende Farbe des Tees korrespondiert mit den
herbstlichen Lindenblättern. Sein Geschmack ist fein und würzig herb und süß algig und
kräuterig. Im Nachhall überrascht der Tee mit einer zarten und doch sehr persistenten
Liebstöckelassoziation. Mit jedem Aufguss verändert sich das Getränk. Die algig-grünen Aspekte
treten in den Hintergrund die herben dezent adstringierenden Noten werden präsenter. Erspüre
ich sogar eine Malznote? Tee stand und steht für mich als Begleiter über den Tageslauf schon
seit fast fünf Jahrzehnten an erster Stelle. Vor allem Darjeeling und gelegentlich Earl Grey
trinke ich mit Genuss - und in rauen Mengen. Deren beider Zubereitung ist routiniert: Fast
eineinhalb Liter werden im Wasserkocher sprudelnd aufgekocht. In der Zwischenzeit wird eine
genau bemessene Menge Schwarzen Tees in ein Filterpapierbeutelchen gegeben. Das heiße Wasser
wird darüber gegossen der Beutel in den nächsten knapp drei Minuten mehrfach geschwenkt dann
entfernt. Der Tee bleibt in der doppelwandigen Edelstahlkanne erstaunlich lange warm aber die
letzte Tasse trinke ich gelegentlich doch kalt woran ich mich klaglos gewöhnt habe. Schon in
den ersten Monaten der Erarbeitung unserer neuen Ausgabe des Journals lerne ich die anderswo
über Jahrtausende entwickelte komplexe Teevielfalt nicht zuletzt in der Zubereitung für mich
zu entdecken mit sensorischen Erfahrungen zu verknüpfen und anzureichern. Weit von jeder
Kennerschaft entfernt erahne ich dass mich die davon ausgehende Faszination nicht wieder
loslassen wird. Jedenfalls finde ich mich nun des Öfteren in der Küche wieder. Ich trinke nicht
mehr und nicht weniger Tee aber für die Auswahl und Zubereitung nehme ich mir Zeit und bin
signifikant aufmerksamer. Die Arbeit an der No. 35 nahm nolens volens einen typischen Verlauf.
Im Kopf passten die Themen »Tee« und »Infusionen« verlockend und wie selbstverständlich
zusammen: Heißes Wasser entzieht irgendwelchen getrockneten Pflanzenteilen ihren Geschmack. Die
Recherche hatte kaum Fahrt aufgenommen schon entlarvte sich der scheinbar großzügige Wurf als
ein oberflächlicher. Samuel Herzog formulierte im redaktionellen Vorgespräch eine fast
vorwurfsvolle Skepsis - schon wegen des schieren Facettenreichtums des Tee-Themas sei eine
Verbindung beider Felder schlechterdings undenkbar. Nach jedem Gespräch mit Menschen die sich
als Produzenten und Händler oder auch »nur« als Konsumenten mit »Tee« beschäftigen blätterte
sich auch für mich die faszinierende Welt dieser einzelnen Pflanzenart aus der Gattung Kamelien
in der Familie der Teestrauchgewächse weiter auf die der Camellia sinensis. Auch jetzt nach
Abschluss der Arbeit (und beim mittlerweile dritten Aufguss des Kukicha) staune ich anhaltend.
Das Journal Culinaire hat sich in den vergangenen Jahren in nicht wenige Bereiche ordentlich
vertieft und hat die bewundernswerte Innovationskraft den erstaunlichen Ideenreichtum und die
zähe Hartnäckigkeit der Menschen bewundert und gefeiert die aus den vorgegebenen natürlichen
Lebensgrundlagen eine überbordende Lebens- und Genussmittelvielfalt haben entstehen lassen. Die
Tees aus der Camellia sinensis sind in ihren ziselierten Ausarbeitungen ein großartiges
Beispiel. Auch wenn wir die Empirie heute theoretisch weitgehend durchdringen können (was
Thomas A. Vilgis hier für uns tiefenscharf aufbereitet) bleibt die praktische Durchführung auf
den höchsten Qualitätsstufen dem meisterlich-handwerklichen Können vorbehalten. Vieles wäre
noch mit Gewinn zu bedenken. Die Themen landwirtschaftliche Produktion und Handel werden ebenso
wie die Geschichte nur angerissen vor allem wird den spannenden Wegen nicht systematisch
nachgegangen die Tee aus dem Osten in die alte Welt genommen hat. Dieses Journal Culinaire
möge ein zumindest solider Anreiz sein sich nicht nur mit einem einzelnen Tee-Aufguss
zufriedenzugeben. Genießen Sie einen jeden und halten Sie nicht nur Ihre sensorische
Aufmerksamkeit hoch.
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